Die Regel von l'Hospital macht eine Aussage über Grenzwerte für Funktionen, die sich als Quotient zweier gegen Null konvergierender oder bestimmt divergierender Funktionen an einer Stelle (a oder ±∞) darstellen lassen. Wenn sowohl Zählerfunktion, als auch Nennerfunktion sich in dieser Hinsicht nicht unterscheiden, was wird dann der Quotient wohl ergeben. Bei Zahlenfolgen der Form (cn):=(an/bn), bei denen sowohl (an), als auch (bn) Nullfolgen sind, stehen wir vor einem ähnlichen Problem. Wir müssen den Bruch vereinfachen und darauf hoffen, dass dann eine Aussage über den Grenzwert der Folge möglich wird. Bei Grenzwerten von Funktionen steht uns die nun im Folgenden zu präzisierende sehr umfangreiche und schlagkräftige Aussage zusätzlich zur Verfügung.

Zur Erinnerung: Wir brauchen diesen Grenzwert des Quotienten um Aussagen über die Stetigkeit und das Verhalten im Unendlichen machen zu können. Diese Aussagen wiederum helfen uns später bei der Beurteilung, ob eine Funktion z.B. integrierbar ist.

Regel von de l'Hospital:

Sei I ein offenes Intervall und f,g : I → ℝ differenzierbare Funktionen. Ferner sei "lim" eine abkürzende Schreibweise für eine der folgenden Grenzwertarten: x→a,  x↗a,  x↘a,  x→+∞ oder  x→-∞. Unter den folgenden 3 Voraussetzungen

  1. lim f(x) = lim g(x) = 0 oder ±∞ (d.h. der Quotient ist ein unbest. Ausdruck des Typs 0⁄0 oder ∞⁄∞)
  2. g'(x) ≠ 0  ∀ x∈I
  3. lim f'(x)⁄g'(x) existiert (d.h. konvergiert oder bestimmt divergiert)

gilt dann: lim f(x)⁄g(x) = lim f'(x)⁄g'(x) 

Zu 1.: Falls a∈I und lim f(x)=lim g(x)=0, dann kann man die erste Bedingung auch so formulieren: f(a)=g(a)=0. Die obere Formulierung zeigt, dass dieser Satz auch für Randpunkte des offenen Intervalls, als auch für x→±∞ gilt.
Zu 2.: Damit diese Bedingung gilt, kann man das Intervall I im Bedarfsfall beliebig verkleinern.

Der Beweis basiert auf dem verallgemeinerten Mittelwertsatz der Differentialrechnung, der seinerseits auf dem Satz von Rolle gründet.

Bei der Anwendung dieser Regel ist noch eine Besonderheit zu erwähnen: Wenn wir mit der 1. Ableitung wieder zu einem unbestimmten Ausdruck kommen, die Voraussetzungen aber auch für diese Ableitungen gelten, so können wir diese Regel auch auf die 2. Ableitung anwenden. Solange die Voraussetzungen erfüllt sind, kann dieses "Spiel" immer weiter gehen.