Im Folgenden geht es um ein paar spezielle Arten von Stetigkeiten für reellwertige Funktionen auf einem beliebigen Intervall bzw. einem kompakten Intervall I. Hier wird einerseits der zentrale Begriff der Stetigkeit verschärft, andererseits abgeschächt. Der Diskussion soll das folgende Implikationsschema zugrunde liegen:

  \[ \begin{matrix} & & \fbox{Hölder-stetig} & & \fbox{stetig v. beschr. Var.} & & \\ & \nearrow & & \searrow\!\!\!\!\!\!\nearrow & & \searrow & \\ \fbox{Lipschitz-stetig}& \longrightarrow & \fbox{abs. stetig} & \longrightarrow & \fbox{glm. stetig}& \longrightarrow & \fbox{stetig} & \longrightarrow & \fbox{sprungstetig}\\ & \nearrow & & \searrow & & & & \searrow \\ \fbox{stetig diff.-bar}& \longrightarrow & \fbox{diff.-bar} & \longrightarrow & \fbox{$\lambda$-f.ü. diff.bar} & & & & \fbox{stückw. stetig} \end{matrix} \]
Hinweis: Die mittlere Implikationskette geht, was die Integrierbarkeit anbelangt, noch weiter:
(sprungstetig ⇔) Cauchy-integrierbar ⇒ Riemann-integrierbar ⇒ Stieltjes-integrierbar ⇒ λ-integrierbar

1.) Lipschitz-stetige Funktionen sind Funktionen, die sich nur beschränkt schnell ändern können, d.h. deren Sekanten in ihrer Steigung beschränkt sind. Sie heißen daher auch dehnungsbeschränkt. Die maximale Steigung ist die Lipschitz-Konstante. Anwendung:

  • In der Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen (ODE) liefern sie ein Konzept, um die Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen zu beweisen (Satz von Picard-Lindelöf)
  • L-stetige Funktionen mit L<1 (Kontraktionen) besitzen in Banachräumen genau einen Fixpunkt (Fixpunktsatz von Banach)

2.) Die auf jedem kompakten Intervall absolut stetige Funktionen sind genau die Stammfunktionen von λ-integrierbaren Funktionen (→ HDI). Anwendung:

  • Theorie der λ-Integrale
  • Wahrscheinlichkeitstheorie: Die absolut stetige Verteilungsfunktionen charakterisieren Verteilungen, die eine λ-Dichte haben.

3.) Gleichmäßig stetig Funktionen sind Funktionen, bei denen das in der ε-δ-Definition der Stetigkeit geforderte δ schärfere Anforderungen erfüllen muss. Es muss ein δ sein, das von der speziellen untersuchten Stelle x0 unabhängig ist. 
Anschaulich gesprochen: Zu jeder noch so kleinen senkrechten Rechteckseite ε kann man eine hinreichend kleine waagrechte Rechteckseite δ finden, sodass, wenn man das Rechteck mit den Seiten ε,δ geeignet auf dem Funktionsgraphen entlangführt, dieser immer nur die senkrechten Rechtecksseiten schneidet, m.a.W. die Differenz der Funktionswerte ist auf jedem Intervall der Länge δ durch ε beschränkt.

4.) (Punktweise) stetige Funktionen sind Funktionen, die keine Sprünge haben. Sie sind häufiger Ausgangspunkt vieler Untersuchungen und fundamentaler Sätze. Zur Erinnerung:
ε-δ-Definition (→ Grenzwert einer Funktion): f heißt im Punkt a∈D stetig, falls zu jedem ε>0 ein δ>0 existiert, so dass gilt: |x - a|<δ ⇒ |f(x) - f(a)|<ε ∀x∈D

5.) Sprungstetige Funktionen (Regelfunktionen) sind Funktionen, die an jeder Stelle einen links- und rechtsseitigen endlichen Grenzwert haben. Sie haben also insbesondere nur Unstetigkeitsstellen erster Art, also behebbare Unstetigkeitsstellen oder Sprungstellen. Sprungstetige Funktionen auf einem kompakten Intervall sind genau die Funktionen, die sich gleichmäßig durch Treppenfunktionen approximieren lassen. Anwendung:

  • Auf den sprungstetigen Funktionen basiert der erste Integralbegriff, der über einen Grenzwert definiert werden konnte [Cauchy-Integral 1821].

Beispiele: Heavyside-Funktion (ϑ-Funktion, Einheitssprungfunktion), Vorzeichenfunktion (signum-Funktion), Thomaesche Funktion (Sterne über Babylon). Letztere ist ein Beispiel für eine Regelfunktion mit abzählbar vielen Sprungstellen, also für eine Regelfunktion, die nicht stückweise stetig ist.


Stückweise stetige Funktionen sind Funktionen mit endlich vielen Unstetigkeitsstellen. Diese Unstetigkeitsstellen können auch Unstetigkeitsstellen 2.Art sein, also Polstellen oder sogar Stellen an denen mindestens ein einseitiger Grenzwert nicht mal existiert.
Beispiele: sin(1/x), sin(1/x²), ... haben an der Stelle 0 keinen Grenzwert


Funktionen von beschränkter Variation sind Funktionen, deren Summe aller Schwankungen endlich ist, d.h. sie oszillieren nicht beliebig stark.

 

Beweis der mittleren Implikationskette im oberen Schema:

  • Lipschitz-stetig ⇒ absolut stetig
    Ist L die Lipschitz-Konstante, so folgt die Aussage bei Vorgabe eines ε-Wertes mit δ=ε/L.
  • absolut stetig ⇒ gleichmäßig stetig
    Dies folgt direkt aus der Definition, wenn ich nur ein Intervall (n=1) betrachte.
  • gleichmäßig stetig ⇒ stetig
    Dies folgt dirket aus der Definition, wenn ich dasselbe δ nehme.
  • stetig ⇒ sprungstetig
    Dies folgt ebenfalls direkt aus der Definition, da stetige Funktionen an jeder Stelle einen links- und rechtsseitigen Grenzwert haben, die sogar übereinstimmen.