Folgen und Grenzwerte
Die Differential- und Integralrechnung hieß in ihren Anfängen nicht ohne Grund Infinitesimalrechnung, denn in diesen mathematischen Disziplinen führte man Begriffe und Verfahren ein, die sich mit unendlich kleinen Größen befassten. Die Bestimmung von Steigungen, Längen, Flächen und Volumina von kurvig umrandeten geometrischen Figuren ist anders nicht möglich.
Diese unendlich kleinen Größen waren lange Zeit ein Dorn im Auge der Mathematiker, denn ihre Definition ließ die sonst übliche Strenge in der Mathematik vermissen. Erst mit der Einführung des Grenzwertbegriffes Mitte des 19. Jahrhunderts wurde aus der Infinitesimalrechnung eine "exakte" Disziplin.
Die Tatsache, dass Differential- und Integralrechnung auf dem Grenzwertbegriff beruhen, ist ein ausreichender Grund sich mit diesem Objekt zu befassen. Nicht nur die Begriffe, die im Zusammenhang mit der Differential- und Integralrechnung eingeführt werden, sondern vor allem die in ihnen steckenden Ideen, werden einem nur bruchstückhaft klar, wenn man sich diese Grundlage nicht erarbeitet hat.
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- Geschrieben von Kory
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- Kategorie: Folgen und Grenzwerte
Wie schon des öfteren erwähnt, ist der Grenzwertbegriff ein ganz wichtiges Konzept der Analysis. Ausgehend von dem Begriff des Grenzwert einer Zahlenfolge konstruieren wir jetzt einen neuen, aber angelehnten Grenzwertbegriff für Funktionen.
Wir lassen eine Folge von Argumenten für eine Funktion f gegen ein festes Argument a konvergieren und fragen uns, was mit der Folge der zugehörigen Funktionswerte eigentlich passiert? Wenn für jede solch eine konvergente Folge von Argumenten, auch die Folge der zugehörigen Funktionswerte konvergiert und dieser Grenzwert der Funktionswerte stets derselbe ist, dann sagen wir die Funktion hat an dieser Stelle einen Grenzwert oder die Funktion konvergiert an dieser Stelle. In der Umgebung der betrachteten Stelle nähert sich die Funktion also beliebig nah an den (für alle Folgen gemeinsamen) Grenzwert. Formal scheint die Forderung, dass dieser Grenzwert für jede konvergente Argumentfolge untersucht werden muss, außerordentlich stark zu sein. Bei einigermaßen "normal" sich verhaltenden Funktionen ist, wegen der starken Koppelung benachbarter Funktionswerte, so ein "gemeinsamer" Grenzwert, tatsächlich aber der Normalfall.
Beispiele für Funktionen, die an bestimmten Stellen keinen Grenzwert haben, sind:
- sgn(x), 1⁄|x| oder 1⁄x an der Stelle 0
- 1⁄(x²-1) an den Stellen -1 und +1
- sin(1⁄(x-5)) an der Stelle +5
Der wichtigste Anwendungsfall für diesen Grenzwertbegriff ist seine Verwendung bei der Definition von stetigen Funktionen.
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Die Regel von l'Hospital macht eine Aussage über Grenzwerte für Funktionen, die sich als Quotient zweier gegen Null konvergierender oder bestimmt divergierender Funktionen an einer Stelle (a oder ±∞) darstellen lassen. Wenn sowohl Zählerfunktion, als auch Nennerfunktion sich in dieser Hinsicht nicht unterscheiden, was wird dann der Quotient wohl ergeben. Bei Zahlenfolgen der Form (cn):=(an/bn), bei denen sowohl (an), als auch (bn) Nullfolgen sind, stehen wir vor einem ähnlichen Problem. Wir müssen den Bruch vereinfachen und darauf hoffen, dass dann eine Aussage über den Grenzwert der Folge möglich wird. Bei Grenzwerten von Funktionen steht uns die nun im Folgenden zu präzisierende sehr umfangreiche und schlagkräftige Aussage zusätzlich zur Verfügung.
Zur Erinnerung: Wir brauchen diesen Grenzwert des Quotienten um Aussagen über die Stetigkeit und das Verhalten im Unendlichen machen zu können. Diese Aussagen wiederum helfen uns später bei der Beurteilung, ob eine Funktion z.B. integrierbar ist.
Regel von de l'Hospital:
Sei I ein offenes Intervall und f,g : I → ℝ differenzierbare Funktionen. Ferner sei "lim" eine abkürzende Schreibweise für eine der folgenden Grenzwertarten: x→a, x↗a, x↘a, x→+∞ oder x→-∞. Unter den folgenden 3 Voraussetzungen
- lim f(x) = lim g(x) = 0 oder ±∞ (d.h. der Quotient ist ein unbest. Ausdruck des Typs 0⁄0 oder ∞⁄∞)
- g'(x) ≠ 0 ∀ x∈I
- lim f'(x)⁄g'(x) existiert (d.h. konvergiert oder bestimmt divergiert)
gilt dann: lim f(x)⁄g(x) = lim f'(x)⁄g'(x)
Zu 1.: Falls a∈I und lim f(x)=lim g(x)=0, dann kann man die erste Bedingung auch so formulieren: f(a)=g(a)=0. Die obere Formulierung zeigt, dass dieser Satz auch für Randpunkte des offenen Intervalls, als auch für x→±∞ gilt.
Zu 2.: Damit diese Bedingung gilt, kann man das Intervall I im Bedarfsfall beliebig verkleinern.
Der Beweis basiert auf dem verallgemeinerten Mittelwertsatz der Differentialrechnung, der seinerseits auf dem Satz von Rolle gründet.
Bei der Anwendung dieser Regel ist noch eine Besonderheit zu erwähnen: Wenn wir mit der 1. Ableitung wieder zu einem unbestimmten Ausdruck kommen, die Voraussetzungen aber auch für diese Ableitungen gelten, so können wir diese Regel auch auf die 2. Ableitung anwenden. Solange die Voraussetzungen erfüllt sind, kann dieses "Spiel" immer weiter gehen.