Wahrscheinlichkeitstheorie

Mathematik versucht Probleme zu lösen. Die Probleme, die speziell an die W-Theorie gerichtet werden, befassen sich mit der Unsicherheit, die wir beim Ausgang bestimmter Vorgänge haben. Bevor wir auf die Theorie der Wahrscheinlichkeit zu sprechen kommen, also das konzeptionelle Handwerkzeug mit dem man bestimmte Fragestellungen behandeln kann, hier ein paar von diesen Fragen, für die man sich interessieren könnte.

WICHTIG: Fragen müssen präzise formuliert werden, zumindest müssen die an einer Antwort Interessierten den genauen Inhalt der Frage kennen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass

  1. unser Sommerurlaub am Meer von einem schönen Wetter noch verschönert wird?
  2. bei Einnahme des Medikamentes XYZ unser Gesundheitszustand sich verschlechtern wird?
  3. wir beim Werfen zweier Würfel eine Augensumme zwischen 8 und 11 erreichen werden?
  4. in der aktuellen, für den BVB noch nicht entschiedene Bundesliga-Saison der BVB einen Champions-League-Platz erreichen wird?
  5. in "naher" Zukunft liegenden Bundesliga-Saison einer der beiden Mannschaften BVB und BMG absteigt, während gleichzeitig der anderer deutscher Fußballmeister wird?
  6. ein 25-jähriger Studienanfänger seinen Master in einem Fach des Fachbereichs Geowissenschaften der Uni Hamburg (wenn er ihn überhaupt schafft) vor dem 35-sten Geburtstag schaffen wird?
  7. wir mit der Deutschen Bahn für die Strecke von A nach B länger als 55 min brauchen werden?
  8. sowohl der Spieler Nadal als auch der Spieler Federer zu den drei besten Spielern des Turnier gehören werden?

 

Ein Zufallsexperiment [ZE] (Zufallsversuch) steht für eine Situation (Vorgang), die ein vom Zufall beeinflusstes  Ergebnis hervorbringt. Dabei sind die potentiell möglichen Ergebnisse des Zufallsexperiments (Versuchsergebnisse) durch die Elemente einer vorgegebenen, nicht-leeren Menge Ω zu beschreiben. Diese Menge Ω heißt Stichprobenraum des Zufallsexperiments.

Ein Zufallsexperiment weist insbesondere die folgende Eigenschaften auf:

  • Die potentiell möglichen Ergebnisse müssen vorher bekannt sein. → Hierbei ist allerdings eine Obermenge der tatsächlichen Ergebnisse zugelassen.
  • Das Ergebnis eines einzelnen Experiments ist nicht vorhersagbar. → Dies beinhaltet die Formulierung "vom Zufall beeinflusst".
  • Es tritt immer nur genau ein Ergebnis ein (m.a.W. die Ergebnisse schließen sich gegenseitig aus). → Die potentiell möglichen Ergebnisse sollten auf unsere Beobachtungsmöglichkeiten abgestimmt sein.
  • Das Zufallsexperiment ist (zumindest im Prinzip) beliebig oft wiederholbar.

Der W-Raum ist ein mathematisches Modell zur Beschreibung von Zufallsexperimenten (→ Das Zufallsexperiment).

  • Der endliche W-Raum beschreibt endliche Zufallsexperimente.
  • Der diskrete W-Raum beschreibt diskrete Zufallsexperimente.
  • Der reelle W-Raum beschreibt reelle Zufallsexperimente.
  • Der n-dimensionale W-Raum beschreibt n-dimensionale Zufallsexperimente.

Wir beginnen mit dem endlichen W-Raum, denn er erfordert keine großen Vorüberlegungen. Auch können an ihm die Grundideen der W-Theorie am anschaulichsten entwickelt werden. Es ist absolut ratsam erst hier die Konzepte zu erlernen, bevor man sich mit dem reellen oder gar n-dimensionalen W-Raum beschäftigt. Bei diesem sind zusätzlich maßtheoretische Kenntnisse erforderlich, die selbst wenn sie nur unbewiesen übernommen werden, von dem eigentlichen Thema des W-Raumes stark ablenken. Auf jeden Fall behalten die hier gewonnenen Konzepte auch in den anderen W-Räumen ihre Gültigkeit.

Wir beschäftigen uns jetzt mit dem reellen Wahrscheinlichkeitsraum. Dieser W-Raum schließt den endliche und diskreten W-Raum mit ein, da die entsprechenden Stichprobenräume stets mit einer Teilmenge von ℕ oder ganz ℕ identifiziert werden können. Um es noch einmal zu betonen: die endlichen und die diskreten W-Räume sind nur Spezialfälle dieses reellen W-Raumes. Was hier also in verallgemeinerte Form erarbeitet wird, gilt demnach auch für diese speziellen W-Räume .

Der reelle W-Raum
Ein reelle W-Raum ist ein Tripel (Ω, ℬ, P) bestehend aus einem Kontinuum Ω ⊂ ℝ, der Borel-σ-Algebra ℬ über Ω und einem W-Maß P auf ℬ.

Bemerkungen

  • Wie wir gleich im Folgenden sehen werden sind alle drei Komponenten des reellen W-Raumes, also Ω, ℬ und P echte Erweiterungen der bisherigen Begriffe.
  • Für ein ausreichendes Verständnis des reellen W-Raumes reicht es völlig aus die folgende Sichtweise anzunehmen
    1. Ω ist ein beliebiges Intervall in ℝ (einschließlich ganz und
    2. ℬ ist das System aller Intervalle in ℝ (einschließlich der ausgearteten Intervalle, also der Einpunkt-Mengen)
  • Insbesondere sind auch bei dieser Sichtweise der endliche und der diskrete W-Raum spezielle reelle W-Räume.